1982 – 1984: Fri-Art Vitrinen

Fri-Art Vitrinen image

“Fri-Art continue dans une vitrine.” verkündet die Wochenzeitung La Liberté am 5. Februar 1982. An diesem Tag versammelt sich das Publikum im Bistrot gegenüber dem Plattenladen “Boutique Cosmos” zur Eröffnungsfeier einer neuen Friart-Ära.

Kaum fünf Monate waren vergangen seit dem Abriss des ehemaligen Priesterseminars, das für die In-situ Ausstellung Schweizer Avantgarde Künstlerinnen im Jahr 1981 gedient hatte. Friart hatte 1982 die Bewilligung und Subventionierung der Stadt erhalten, um im Schaufenster an der Rue de Lausanne 24 im Stadtzentrum Freiburgs Wechselausstellungen zu veranstalten; die Vitrine der Boutique Cosmos wurde für die drei folgenden Jahre zum Ausstellungsraum umfunktioniert. Installationen, Videos, Performances und Kunstwerke aller Art bespielten den Schauplatz im öffentlichen Raum und schafften an der Schnittstelle von kulturellem Geschehen und alltäglichem Leben einen Dialog zwischen Passantinnen und zeitgenössischer Kunst. Ziel war es auch, vom institutionellen Kontext der Kunst abzuweichen, um ein erweitertes Publikum teilhaben zu lassen. Dieser Anspruch an die Öffnung und Partizipation spiegelte sich gleichermassen in der ersten Ausstellung wider: im Schaufenster wurden ab dem Eröffnungstag rund 70 Postkarten von Künstler:innen aus Europa, Süd- und Nordamerika gezeigt. Das im Rahmen der Fri-Art ’81 entstandene “mail art project” wurde in zwei Teilen vom Centre Neoist de Montreal, Canada organisiert und von Istvan Kantor unter dem neoistischen Pseudonym Monty Cantsin koordiniert.

Der Neoismus sei “ein Weg, um dem Gefängnis der Kunst zu entkommen; um offene Situationen zu schaffen, in denen jeder etwas beitragen, handeln, reagieren, zerstören oder kreieren kann.” Er geht auch mit Friarts Idee einher, ein Netzwerk zwischen Künstlerinnen der Avant-Garde Kunst zu schaffen und einen öffentlichen Raum für das Kunstschaffen zu bieten. Das Schaufenster der Boutique Cosmos blieb nicht die einzige Ausstellungsvitrine der Stadt; gleich vor dem Bahnhof Freiburg, an der Rue de Genève 20, wurde das Schaufenster eines leerstehenden Bestattungsinstituts durch Friart zum Leben erweckt: am 14. September 1984 um 18.15 Uhr versammelte sich eine Gruppe von Zuschauer:innen auf dem Gehsteig davor, um einer Performance von Hans Jürg Gilgen teilzuhaben; am 20. Dezember 1984 um dieselbe Uhrzeit füllten sich die fünf Kubikmeter hinter Glas mit dem bunt beleuchteten Rauch einer Roman Signer-Installation. So animierte das Projekt immer mehr Gegenwartskünstlerinnen, “Im konservativen Fribourg mit dem Rüssel einzufahren”, wie es Roland Frei “nach dem Vollmond” in einem Interessenschreiben formuliert hatte. Tatsächlich wurde bei Friart die konservative Auffassung der Kunst immer wieder untergraben, zumal Michel Ritter der Meinung war, jeder künstlerische Akt sei auch ein politischer. Und wenn dieser nicht nur auf Verständnis trifft, so regt er zumindest zur Diskussion an; ganz im Sinne von Ritters eigener Schaufensterinstallation “Il faut parler. Votez blanc.”  

Text in Zusammenarbeit mit Laura Lanfranchi, veröffentlicht im Rahmen der Ausstellung Friart ist aus einem Vakuum heraus entstanden. Geist einer Kunsthalle, MAHF Museoscope, (27.08 - 17.10.2021).